Ein Spaziergang durch das einstige Armenviertel in Berlin hört sich für viele Urlauber nicht verlockend an. Wie klingt eine Tour durch das ehemalige jüdische Getto der Stadt? Auch eher deprimierend? Doch wie steht es mit einem Besuch der Volksbühne auf dem Rosa-Luxemburg-Platz? Was diese drei Dinge gemeinsam haben? Sie prägten und prägen noch immer das Scheunenviertel von Berlin.
Die Geschichte des Berliner Scheunenviertels
Das Scheunenviertel in Berlin ist Touristen ein Begriff. Kein Wunder, es blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück.
- Lage: Das Scheunenviertel befindet sich in der Spandauer Vorstadt in Berlin Mitte. Rund 50 Gehminuten trennen es vom Brandenburger Tor. Mit der U-Bahn U 2 brauchen Urlauber knapp 22 Minuten.
- Entstehung: Das Scheunenviertel gehört erst seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Berliner Stadtgebiet. Zuvor standen die Scheunen, denen das Viertel bis heute seinen Namen verdankt, aus Sicherheitsgründen abseits der Wohngebäude. Schließlich bestand die Gefahr, dass das darin gelagerte Stroh in Brand geriet.
- Bebauung: Die ersten Wohngebäude entstanden um das Jahr 1800 im Scheunenviertel. Hauptsächlich lebten darin mittellose Berliner und Zuwanderer.
- 1880er-Jahre: Im späten 19. Jahrhundert lebten zahlreiche „Ostjuden“ im Scheunenviertel. Sie kamen aus Polen, Litauen und der Ukraine. Die Flucht vor Pogromen trieb sie nach Berlin. Zeitweise machten sie bis zu 70 Prozent der Wohnbevölkerung im Scheunenviertel aus.
- 1990er-Jahre: Ende des 20. Jahrhunderts prägten kultige und teilweise kauzige Geschäfte das Scheunenviertel. Sie verliehen dem Viertel einen quirligen Szenecharakter. Allerdings wichen sie im Laufe der klassischen Boutiquen und Ladenketten.
- Heute: Das Berliner Scheunenviertel ist hauptsächlich für den Rosa-Luxemburg-Platz bekannt, auf dem Urlauber das Theater Volksbühne finden. Weitere Besuchermagneten sind die Hackeschen Höfe und die Neue Synagoge.
Darum lohnt sich der Besuch im Scheunenviertel
Wer das Scheunenviertel besucht, wirft einen Blick in Berlins bewegte Geschichte. Die einstigen Scheunen suchen Touristen vergeblich. Stattdessen treffen sie auf zahlreiche Sehenswürdigkeiten, die ihnen das jüdische Leben in der Hauptstadt nahebringen. Dazu gehören:
Haus Schwarzenberg
Ein Besuchermagnet für Berlin-Urlauber befindet sich in der Rosenthaler Straße 39. Das Haus Schwarzenberg mit seiner farbenprächtigen Street-Art. Seine wahren Werte verbergen sich jedoch im Inneren: das Anne-Frank-Zentrum.
In diesem wartet die Dauerausstellung „Alles über Anne“. Sie eignet sich aufgrund der interaktiven Stationen besonders für Urlauber mit Kindern. Die Ausstellung befasst sich mit Anne Franks Leben im Nationalsozialismus sowie:
- ihrer Flucht nach Amsterdam
- der Verhaftung durch die Nazis
- ihrer Deportation und
- ihrem Leben und Sterben in Bergen-Belsen
Ebenso erfahren Besucher des Anne-Frank-Zentrums, wie sich der Antisemitismus entwickelte. Auch seine Auswüchse in der Gegenwart stehen im Fokus.
Tipp: Im Haus Schwarzenberg finden Besucher neben dem Anne-Frank-Zentrum das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt. In dieser arbeiteten zurzeit des Zweiten Weltkriegs hauptsächlich blinde und gehörlose Juden, die Weidt vor der Deportation schützte.
Neue Synagoge
Das Berliner Scheunenviertel war einst Zentrum des jüdischen Lebens in der Hauptstadt. Ein Zeugnis davon ist die Neue Synagoge im Centrum Judaicum. In dieser befindet sich heute der Sitz der Jüdischen Gemeinde.
Früher überbot die Neue Synagoge hinsichtlich der Größe jedes andere Bauwerk dieser Art in ganz Deutschland. Imposant ist sie noch immer. Daher vergesse nicht, beim Vorgehen die Kamera zücken und ein Erinnerungsfoto zu schießen.
Wo:
Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum
Oranienburger Str. 28-30
10117 Berlin
Ein Blick in die Geschichte
Um das Jahr 1918 kamen Ostjuden in großer Zahl ins Berliner Scheunenviertel. 1933, als der nationalsozialistische Terror begann, fehlte es der Mehrzahl von ihnen an Geld, um zu emigrieren. 1938 fanden sie sich abgeschoben in Polen wieder.
Auch die Synagoge trug Spuren der Nationalsozialisten davon. In der Reichspogromnacht am 09. November 1938 geriet sie in Brand. Dem Eingreifen der Polizei und der Feuerwehr verdankte sie ihren Erhalt.
1943 zerstörten Bomben das Gebäude. Dessen Ruine ließ die Stadt 1970 abtragen. In den 1990er-Jahren entstand der neue Vorderbau.
Tipp: Im Altbau des Centrums Judaicums, der links neben dem Neubau liegt, laden Wechselausstellungen zum Entdecken ein. Besuche sind in der Hauptsaison montags bis freitags sowie an Sonntagen ab 10.00 Uhr möglich.
Weitere Sehenswürdigkeiten und touristische Höhepunkte
Interesse an einem touristischen Höhepunkt Berlins im Scheunenviertel? Dann lohnt ein Ausflug zu den Hackeschen Höfen mit dem Hackeschen Markt.
Die Höfe, acht an der Zahl, bilden Deutschlands größten Wohn- und Gewerbekomplex. Ein Foto des historischen Ensembles mit den prunkvollen Jugendstilfassaden gehört nach dem Berlinurlaub ins Fotoalbum.
Nach dem Besuch der Hackeschen Höfe besichtigen Urlauber:
- Clärchens Ballhaus
- das Kino Babylon
- die Volksbühne auf dem Rosa-Luxemburg-Platz
Ursprünglich hieß der Rosa-Luxemburg-Platz Bülowplatz. In den 1930er-Jahren war er bekannt für Gewalttaten im Rahmen politischer Auseinandersetzungen. 1933 benannten die Nationalsozialisten den Platz nach Horst Wessel, einem drei Jahre zuvor von Kommunisten ermordeten SA-Mann.
1912 entstand an der Ostseite des heutigen Rosa-Luxemburg-Platzes ein großes Bürogebäude. In diesem saßen ab 1926 die Funktionäre der Kommunistischen Partei, kurz KPD.
Die Volksbühne auf nordöstlicher Seite beherrscht seit 1913 das Areal. Gleich davor steht eine Informationstafel, die Besucher über die Geschichte des Scheunenviertels unterrichtet.
Was das Scheunenviertel noch zu bieten hat
Erinnerungskultur und Mahnmale
Das Scheunenviertel ist auch ein Ort der Erinnerung an die dunklen Zeiten des Holocausts. Über das Viertel verteilt finden sich zahlreiche Stolpersteine – kleine, in den Bürgersteig eingelassene Messingtafeln, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, die einst hier lebten. Diese Mahnmale tragen dazu bei, die Geschichte der ehemaligen Bewohner des Viertels zu bewahren und das Bewusstsein für die Schrecken der Vergangenheit zu schärfen.
Kulturelle Vielfalt und Veranstaltungen
Im Scheunenviertel finden regelmäßig kulturelle Veranstaltungen und Festivals statt, die die Vielfalt seiner Geschichte und seiner Bewohner widerspiegeln. Dazu zählen Kunstausstellungen, Theateraufführungen und Straßenfeste, die das kulturelle Erbe des Viertels feiern und Besuchern die Möglichkeit bieten, in die lokale Kultur einzutauchen.
Architektonische Besonderheiten
Neben den bekannten historischen Sehenswürdigkeiten zeichnet sich das Scheunenviertel auch durch eine Mischung aus Altbau-Charme und moderner Architektur aus. Dies umfasst liebevoll restaurierte Hinterhöfe, die oft kreative und kulturelle Einrichtungen beherbergen, und zeitgenössische Bauten, die einen spannenden Kontrast zur historischen Bausubstanz bieten.
Soziale Projekte und Initiativen
Das Viertel ist auch ein Zentrum sozialer und kreativer Projekte, die sich mit Themen wie Integration, Bildung und sozialer Gerechtigkeit befassen. Diese Initiativen, oft getragen von lokalen Vereinen und gemeinnützigen Organisationen, spiegeln das soziale Bewusstsein und Engagement der Bewohner wider und bieten Einblicke in die aktiven Bemühungen um sozialen Zusammenhalt in einem historisch vielschichtigen Stadtteil.
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